Eine konstruktive Konfliktaustragung verlangt, dass nicht nur auf Frieden, Konfliktvermeidung, Befriedung oder „Lösung“ hin orientiert wird.(So ist aber der momentane, softe Mehrheits-Trend im
professionellen Konfliktlösungsgeschäft)
Im Gegenteil, eine positive Einstellung zum Konflikt, zur Reibung, zum Widerspruch und zum Selberdenken ist - gerade in einer Demokratie - für eine gute Konfliktkultur unerlässlich.
Konflikt ist gut - Kein Konflikt ist bedenklich! (Denn wo sonst, als unter dem Teppich oder dem Schirm einer fragwürdigen Toleranz sollten die Gegensätze und Differenzen
sonst geblieben sein?)
Also : beides ist legitim und nötig in einer gedeihlichen Kommunikationslandschaft zwischen Menschen und Gruppen. Denn auch hier würde eine Monokultur nur schaden:
Angreifen – das Gegenüber zur Reaktion herausfordern, ihn „berühren“, ihn nicht so belassen, das mich Störende nicht „tolerant“ links liegen lassen.(Wo fängt Gewalt
an?) Verteidigen - für sich eintreten, sich wehren, sich gegen ein Eindringen, ein Zu-nahe-kommen schützen.
Annehmen – Offerten, „Begegnungen“ akzeptieren, sich dafür interessieren. Ablehnen - Nicht interessiert sein, nichts davon halten, den Kontakt
verhindern oder abbrechen.
Verständnis - für das/den „Andere(n)“ entwickeln wollen, die Kompetenz dazu erweitern. Nichtverstehen, Unverständnis - es bewusst bei dem beschränkten
Wissen belassen, keine Offenheit entwickeln wollen (allerdings von dieser Beschränktheit wissen!)
Respektvoll sein - die vorgegebene oder erkannte Grenze akzeptieren, würdigen und wahren. Respektlos sein - die tradierte vorgegebene Eingrenzung/Fesselung
überschreiten, sich befreien von unhinterfragten „Rahmungen“; Tabuverletzung wagen (und die Verantwortung dafür übernehmen, d.h. auch über physische und psychische Gewalt sprechen
können).
Beides hat sein Recht. Es geht keinesfalls darum, das eine zu favorisieren und das andere zu tabuisieren. Das passiert aber m.E. bei der derzeit gängigen gewaltfreien Konfliktaustragung Tag für
Tag. Sie geht von einer „lieben“ win-win-Philosophie aus – und prägt „nebenbei“ auch die herrschenden Mediationsansätze - sie unterscheidet in ihrer Arbeit systematisch zwischen Gut und
Böse, trennt in der Kommunikation kindlich-fein zwischen „Giraffen- und Wolfs-Kommunikation“. Dadurch verstärkt sich nur die Scheu vor dem Konflikt, vor dem Ansprechen von Differenz und vor
dem Aushalten von Gegensätzen und Nichtverstehen.
Für beides muss ein Gespür und Mut entwickelt werden. Wichtig ist, den richtigen Zeitpunkt und das stimmige Maß/die Form zu finden. Es gilt immer wieder die Frage zu stellen und
die Entscheidung zu treffen: Was ist jetzt nötig, was trägt zum „guten Vorankommen“ bei? Was wäre bloßem Vermeidungsverhalten geschuldet?
Zu dieser Entscheidung gehört dann die Übernahme der Verantwortung für die Folgen der eigenen Handlung. (Habe ich zu sehr an mich gedacht, an den anderen, an den Prozess? Habe ich
überzogen?)
Ängste, die durch bestimmte Tabus hervorgerufen werden, haben eine negative Wirkung (stärken die Unoffenheit). Nur der relativ angstlose und geschickte Umgang mit „Beidem“ (s.o.)trägt zu einer
offenen Konfliktkultur und damit zu offenem und ehrlichem Leben und der allseits geforderten „Teamfähigkeit“ bei.
Hierzu sollten die vielen Trainings und Fortbildungen endlich einen Beitrag leisten.